Alles Theater!

Christian Ingomar ist ein Wiener Theater und Filmschauspieler. Seit 20 Jahren lebt und arbeitet er in Köln.

Christian Ingomar is a Viennese theater and film actor. He has been living and working in Cologne for 20 years.

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Was würdest Du aus der heutigen Sicht einem jungen Menschen empfehlen, der Schauspieler werden möchte?

From today’s point of view, what would you recommend to a young person who wants to become an actor?

Ach du meine Güte, was würde ich einem jungen Menschen erzählen? Empfehlen kann ich gar nichts. Zu dem Beruf würde ich sagen, es ist einer der wundervollsten Berufe die es gibt. Er ist aber mit Anstrengungen verbunden, auf die man nicht vorbereitet ist, auch wenn man im besten Fall sogar eine Schauspielschule absolviert hat. Auf das meiste, das auf einen zukommt, ist man nicht vorbereitet. Das hat einfach auch viel mit der sich immer weiter verschlechternden Marktlage zu tun. Der Beruf ist ja nach wie vor ungeschützt. Jeder, früher habe ich immer gesagt, jeder der seine Titte in die Kamera gehalten hat, darf unbenommen den Titel Schauspielerin oder Schauspieler führen. Der ist nicht durch irgendwelche Ausbildungskriterien geschützt. Dieser Markt wird immer größer und daran hat auch die Zunahme der so genannten Trashformate in den privaten Fernsehsendern, mittlerweile ja auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu tun, wo irgendwelche Leute auf der Straße gecastet werden und dann glauben, sie seien Schauspieler. Aber sie finden Aufnahme in Agenturen und verdienen ihr Geld und tragen so mit Schuld an den immer größer werdenden Dumpingniveaus der Gagen. Das Gagenniveau ist in den letzten 10 Jahren um etwa 100 Prozent gesunken, was Fernsehen angeht, im Theater ist das ein bisschen anders. Ich kann einem jungen Menschen nichts empfehlen. Ich könnte versuchen, wenn ich ihn ein wenig besser kennen lernte, zu erspüren ob da Leidenschaft vorhanden ist. Wenn da keine ist würde ich sagen, überleg dir das nochmal sehr gut, aber wenn da Leidenschaft ist, würde ich sagen: go on!

Oh my gosh, what would I tell a young person? I can not recommend anything. On the job I would say, it is one of the most wonderful jobs there is. But it is connected with an effort that you are not prepared for, even if you have even completed a drama school in the best case. Most of what comes to you, you are not prepared. This simply has a lot to do with the worsening market situation. The profession is still unprotected. Everyone, as I used to say, anyone who has held or hung his tit in the camera, is allowed to take the title of actress or actor. This is not protected by any educational criteria. This market is getting bigger and bigger and this is also due to the increase in the so-called trash formats in the private television networks, now also in the public television, where some people are casted on the street and then believe they are actors.  But they find acceptance in agencies and earn their money, and thus are guilty of the ever-increasing levels of dumping of the fees. The level of the fees has dropped about 100 percent in the last 10 years in terms of television, in the theater it’s a bit different. I can not recommend anything to a young person. I could try, if I got to know him a little better, to sense if there is any passion. If there isn’t, I would tell to think again very well, but if there is passion, I would say go on!

Das ist ein Beruf, den man nur mit Leidenschaft ausüben kann?

This is a profession that can only be practiced with passion?

Unbedingt.

Certainly.

 

Was hat sich denn, abgesehen von den Gagen, im Schauspielgeschäft verändert?

What has changed, apart from the fees, in the acting business?

Es ist immer zwischen Theater und Fernsehen zu trennen. Am Theater hat sich insofern was verändert in den letzten 20, 30 Jahren, dass es mutiger geworden ist. Diese noch vor 30 Jahren teilweise unglaublich reaktionären Spielpläne an den städtischen Bühnen, diese ungeheuer eingefahrenen Strukturen, alles dem Abbonnenten zuliebe sozusagen der, wenn das Bühnenbild zu bunt war, sein Abbonnement zurückgab. Das ist nicht übertrieben. Es gab tatsächlich in einem Haus, an dem ich engagiert war einen solchen Brief eines Abbonnenten, die Bühnenbilder würden immer bunter und das gefiel ihm nicht mehr und er zöge das Abbo zurück. Das ist unzweifelhaft sehr viel mutiger geworden und es werden sehr viel mehr jüngere Regisseure und Regisseurinnen herangezogen, die mit ganz neuen Phantasien und Bildsprachen da herangehen. Beim Fernsehen hat sich insofern nur etwas verändert, dass alles auf die Quote guckt. Es ist mittlerweile auch bei den öffentlich-rechtlichen so, dass die Qualität eine nur noch untergeordnete Rolle spielt. Wichtig ist nur die Quote. Wir haben da gerade ein Paradebeispiel, Phoenixsee in der ARD. Da lief gerade die zweite Staffel mit sechs Folgen à 45 Minuten, die werden versteckt im WDR immer Montags um 20:15 Uhr. Das ist qualitativ eine der beste Serien der letzten Jahrzehnte, so etwas Gutes sieht man wirklich extrem selten und es steht zur Diskussion, ob überhaupt eine dritte Staffel gedreht werden soll, weil die Quote jetzt nicht so doll ist. Es ist eine Tragödie, dass alles nur noch auf Einschaltziffern guckt und das auch Grundlage aller Diskussionen in den Gremien und in den Redaktionen ist. Das verändert sich leider Gottes immer mehr zum Negativen. Solche Gespräche gab es vor 20 Jahren nicht.

There is always a distinction between theater and television. So much has changed in the theater in the last 20, 30 years that it has become bolder. 30 years ago, there were sometimes unbelievably reactionary schedules on the city stages, these enormously retracted structures, everything for the sake of subscribers so to speak, if the scenery was too colorful, he took his subscription back. That’s not over the top. In fact, in a house where I was involved, there was such a letter from a subscriber, he wrote the sets became more and more colorful and he did not like it anymore and he pulled back the abbo. This has undoubtedly become a lot more courageous, and there are much more younger directors who are approaching with completely new fantasies and pictorial languages. As far as television is concerned, only one thing has changed, that everything looks at its quota. It is meanwhile also in the public tv,  that the quality plays only a subordinated role. Only the quota is important. We have just a prime example, Phoenixsee in the ARD. This is a tv season with six episodes of 45 minutes, which are hidden in the WDR every Monday at 20:15. This is qulitatively one of the best series of the last few decades, something that good can be seen extremely rare and it is up for debate, if ever a further season should be rotated because the quota is not so high. It is a tragedy that everything only looks at cut-in numbers and that is also the basis of all discussions in the committees and in the editorial offices. Unfortunately, that is changing more and more to the negative. Such talks did not exist 20 years ago.

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Wenn man ein Schauspieler Deines Alters ist, wie sieht Dein Markt aus?

If you are an actor of your age, what does your market look like?

Für Männer immer noch besser als für Frauen. Frauen haben es da noch viel schwerer. Bei Frauen meines Alters geht es wieder. Bei Frauen gibt es, das dokumentiert sich auch in der dramatischen Literatur, so zwischen dem 35igsten, 40igsten und 60igsten Lebensjahr ein Loch. Da gibt es kaum Rollen in der Literatur. Es gibt, um es ein wenig überspitzt auszudrücken, die Jugendliche, die junge Mutter, dann kommen die älteren Mütter, die älteren Frauen und Großmütter. Dazwischen ist nichts. Auch das sieht im Fernsehen besser aus. Da gibt es auch Rollenangebote für Frauen in dem Alter. Aber es wird nach wie vor viel zu mutlos, viel zu wenig an guten, qualitativ hochwertigen Fernsehspielen produziert. Es wird ja auch überall gespart. Ein Fernsehspiel, ein Neunzigminüter, kostet an die 1,2 oder 1,3 Millionen, ein Tatort sogar 1,4 Millionen soweit ich weiß, und da wird geguckt wo man sparen kann. Das dokumentiert sich dann in den Gagen. Die Gagen für die Darsteller sind das erste, an dem gespart wird und das zweite an dem gespart wird ist dann der Stab. Wo früher für einen Tatort 30 Drehtage vorgesehen waren, wird das heute in 23 Tagen abgedreht. Und darunter leidet die Qualität.

Still better for men than for women. Women have a much harder time there. Women of my age have work again. There is a hole for female roles, as documented in dramatic literature, between the ages of 35, 40 and 60. There are hardly any roles in the literature. There are, to put it a bit exaggerated, the adolescent, the young mother, then the older mothers, older women and grandmothers. There is nothing in between. That is much better on TV. There are also role offers for women of that age. But it is still much too discouraged, too little  productions of good, high-quality teleplays. Money is  saved everywhere. A teleplay, of ninety minutes costs about 1.2 or 1.3 million, a thriller like „Tatort“ even 1.4 million as far as I know, and everybody watches out where to save money. This is documented in the fees. The fee for the actor is the first thing to save money on and the second is the staff.  Previously 30 shooting days were planned for a thriller, today it has to be realized within 23 days. And the quality suffers from that.

Und auch der Schauspieler.

The actor as well.

Natürlich.

Of course.

Rückblickend auf Dein Leben, würdest Du diesen Beruf wieder ergreifen?

Looking back on your life, would you choose this profession again?

Das ist eine berühmte Frage. Ja, würde ich. Wobei es ja auch andere Interessen gibt. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder gesagt, wenn ich nochmal 20 wäre, würde ich mir überlegen, ob ich nicht doch ein Studium machen würde und das wäre dann in jedem Fall Medizin und/oder Geschichte. Aber die Affinität zwischen darstellenden Künstlern oder auch Dramatikern und der Medizin ist Legende. Da gibt es jede Menge sehr berühmter Beispiele. Beides hat intensiv mit dem Menschen zu tun. Ich bin der Medizin schon immer sehr nahe gewesen. Das hat mit meiner Mutter zu tun, die Operationsschwester war. Ich bin schon als kleines Kind von meiner Mutter medizinisch aufgeklärt und geschult worden, habe mich also schon immer für Medizin interessiert und würde das deshalb vielleicht angehen. Es ist natürlich schwer, diese Frage zu beantworten. Mich hat mit 19 oder 20 Jahren der Theatervirus erwischt und wenn der mich wieder erwischte, würde ich ihm wieder folgen.

That’s a famous question. Yes I would. Whereby there are other interests. I’ve been saying over and over again in the last few years that if I was 20 again, I would go to study at a university medicine and / or history in any case. But the affinity between performing artists or even dramatists and medicine is legend. There are a lot of very famous examples. Both have a lot to do with humans. I have always been very close to medicine. This has to do with my mother, who was a surgical nurse. I was medically educated and trained by my mother when I was a little child, so I’ve always been interested in medicine and maybe that’s why I might tackle it. Of course it is difficult to answer this question. I was caught by the theatrical virus when I was 19 or 20 years old, and if he caught me again, I would follow him again.

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Vielen Dank, lieber Christian, für das interessante Gespräch.

Thank you so much, dear Christian, for this interesting talk.

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